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Die Liebe zählt

Kolumne

Was macht einen Mann zum Mann: einen Baum pflanzen, ein Haus bauen und ein Kind zeugen. (Letzteres käme für mich als Priester allerdings nicht in Frage; ich könnte ja statt dessen ein Buch schreiben oder eine Stiftung gründen.) Worum es offensichtlich geht: Stabilität gewinnen, Wurzeln schlagen, einen Fußabdruck in der Geschichte hinterlassen, auch über die eigene vergängliche Existenz hinaus. So verstehe ich jedenfalls diese Volksweisheit. Dahinter steht die ganz grundsätzliche Frage, was eigentlich gelingendes Menschsein ausmacht. Ich habe so manchmal neidvoll auf andere geschaut, die kraftstrotzend durchs Leben gingen, die erfolgreiche Wissenschaftler wurden oder eine glanzvolle Karriere hingelegt haben … Ob sie im Letzten zufriedener waren, glücklicher, mit sich selbst und der Welt im Reinen? Was macht das Leben rund, so dass ich am Ende sagen kann: es war gut?

Von Jesus ist nicht überliefert, dass er je Häuser gebaut, Bäume gepflanzt oder Nachkommen hinterlassen hat. Nach menschlichen Kategorien ist er auf der ganzen Linie gescheitert. In dieser Woche führen wir Christen uns das ganze Drama seines schmählichen Todes in Verlassenheit vor Augen. Was sein Leben ausgemacht hat, war eine grenzenlose Liebe, mit der er jedem, vor allem den Kleinen, Marginalisierten, gesellschaftlich Ausgegrenzten begegnet ist: Kranken, Trauernden, von unreinen Gedanken Geplagten … Wer wie er die solidarische, mitfühlende, verzeihende Liebe zum Maßstab des Menschseins erhob, der war eine Gefahr für die Herrschenden, die ihre Untertanen in Angst und Schrecken hielten. Und er wurde einer Religion gefährlich, deren Elite die Wahrheit für sich gepachtet hatte und die mit ihren Regeln und Riten das Leben der Menschen maßregelten. Wie befreiend dagegen seine schlichte, aber machtvolle Botschaft, dass allein die Liebe zählt: Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten. Das ist sein Testament. Dafür wurde er gekreuzigt.

Die überraschende Wende erschließt sich erst an Ostern. Auch wenn Jesus wohl kaum Bäume gepflanzt, Häuser gebaut und Kinder gezeugt hat: Die Geschichte zeigt, dass er, von den Toten auferstanden, viele Nachkommen hat, sehr viele, bis heute: Menschen, die aus seiner Liebe leben und wie er den Weg der Liebe gehen. Wenn das kein Grund zur Hoffnung ist!

Frohe Ostern!