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Größe zeigen – Großes wirken

Kolumne

GREAT AGAIN – Ein Sehnsuchtsruf umweht in diesen Tagen das Capitol. War es nicht gerade diese Sehnsucht, die vor vier Jahren einen Präsidenten ins Amt gespült hat, der wie kein anderer die Sehnsucht all derer verkörpert hat, die sich als Verlierer fühlten, als Abgehängte, als ewig Gestrige, auf die man mit großmütiger Herablassung oder kalter Arroganz herabgeschaut hat. „Make America great again“, das klang wie ein Versprechen, das auf ein kollektives Minderwertigkeitsgefühl traf und zum Mantra einer politischen Bewegung wurde - mit einem selbsternannten Heilsbringer an der Spitze, der selbst diese Sehnsucht nach Größe, nach Anerkennung und Bedeutung verkörperte: einem „Selfmademan“, von allen unterschätzt, der es „denen da oben“ gezeigt hat, dem Establishment und den Jongleuren der Macht; eine Demonstration, wozu Menschen fähig sind, wenn sich die aufgestaute Wut entlädt.

Doch Trauma und Tragik liegen eng beieinander. Denn wer auch immer sich an der eigenen Größe berauscht, erlebt auch, wie es mühsam ist, sich selbst immer wieder in den Vordergrund zu spielen; wie anstrengend es ist, sich und der ganzen Welt beweisen zu müssen, wie wichtig und bedeutsam man ist, immer darauf bedacht, nicht „entlarvt“ und auf das Maß der eigenen Bedeutungslosigkeit zurückgestutzt zu werden. Denn wer mit der Selbsterlösungsformel „great again“ antritt, bekennt gerade den tiefsitzenden Zweifel am eigenen Selbst, der eigenen Bedeutsamkeit und Größe.

Doch „was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber Schaden nimmt an seiner Seele?“ (Mk 8,36) – eine schlichte und zugleich entlarvende Frage, die schon Jesus seinen Zuhörern gestellt hat. Will sagen: „Es kommt nicht primär darauf an, was du aus dir machst, sondern wer du bist“. Wer sich mit den Augen Gottes sehen kann, der ist keineswegs klein und unbedeutend, im Gegenteil: der erahnt etwas von der Größe, die jedem Menschen bereits von Anfang an zu eigen ist: von Gott geliebt, liebenswert und liebenswürdig – und deswegen „great“. Der kann sogar im Moment der Niederlage und des Scheiterns Größe zeigen! Auf dieser Erkenntnis gründet eine Weltreligion, die das Kreuz, das Symbol des Scheiterns, sogar zu ihrem Erkennungszeichen gemacht hat. Die Erfahrung und das Eingeständnis der eigenen Schwäche, so Paulus, einer der ersten Kronzeugen für diese Lebenswahrheit, schmälert nicht die eigene Größe; vielmehr wird so „deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt“ (2 Kor 7). Daraus erwächst die Kraft, auch selbst Gutes zu tun, Versöhnung zu stiften, Großes zu wirken. In diesem Sinn wäre jener Slogan dann doch noch eine Verheißung: „To Be Great At Doing Good “ (Nick Cooney).