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Schicksalstag der Deutschen

Kolumne

Und wieder ist heute der 9. November. Schicksalstag der Deutschen, wie es heißt. 1938, vor 77 Jahren, brannten überall im Land die Synagogen. Propagandistisch gelenkte Barbarei in unserem Land, der das staatlich organisierte Auslöschen jeglichen jüdischen Lebens folgen sollte. Viele haben damals weggeschaut. Und wieder brennen heute Häuser, fast jeden Tag irgendwo im Land ein Brandanschlag auf Flüchtlingsheime und Asylunterkünfte. Was wird noch folgen?

1989, vor 26 Jahren, fiel die Berliner Mauer und in der Folge jene menschenverachtende Grenze zwischen Ost und West. Ein Akt der Befreiung, auf den Straßen errungen von mutigen Menschen, die mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ staatlicher Willkür trotzten und so ein Leben in Würde und Freiheit erstritten. Und wieder sind in unserem Land heute Menschen unterwegs, wieder mit der Parole „Wir sind das Volk“ auf der Straßen, Wutbürger und manche Mitläufer, die diesmal den Bau von Mauern, Zäunen und Grenzen fordern. Wohin soll das noch führen?

Damals waren es die Gottlosen, die die Gotteshäuser angezündet haben. Und damals waren es die Montagsdemonstrationen, die aus den Kirchen heraus auf die Straße gegangen sind. Heute gehen in den Kirchen die Lichter aus, wenn auf den dunklen Plätzen Hassparolen skandiert und Drohungen gegen Politiker und Medien ausgestoßen werden. Wo führt all das hin? Wie verbittert müssen Menschen sein, gefühlte Verlierer der Globalisierung, dass sie anderen den Lebensraum absprechen? Und wir, die zivilisierte schweigende Mehrheit, die wir touristisch bis in die elendste Weltregion vordringen konnten: wundert es uns, dass das Elend auch Wege zu uns findet, nicht nur virtuell? Es bräuchte auch heute den Aufstand der Anständigen, wie damals zu Zeiten der Wende.

Es bräuchte bekennende Christen, wie damals, die sich dem nationalsozialistischen Terror widersetzten. Glaubende wie Nichtglaubende, die dem Fremden mit Menschlichkeit begegnen, wer es auch sei – einfach weil er und sie, von unserem Gott geliebt, Menschenantlitz trägt.

„Herr, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung. Gib uns Mut und Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst stolz den Namen Mensch tragen.“ (Gebet der Vereinten Nationen)