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Vorboten der Hoffnung

Kolumne

Noch sind Pfifferlinge und Federweißer nicht aus den Regalen im Supermarkt verschwunden, da zeigen sich mit Spekulatius, Stollen und Adventskalendern bereits die Vorboten künftiger Festlichkeit an. Es ist halt nie zu früh, an Weihnachten zu denken. Das sagt sich offensichtlich auch der Einzelhandel, der mit Sorge auf die Haushaltslage und die drohende Rezession blickt. Wird dann bei der steigenden Inflation, den hohen Wohn- und Lebenshaltungskosten noch genug Geld im Portemonnaie der Kunden sein? Das gefürchtete Wort von „Wohlstandsverlusten“, das mittlerweile die Runde macht, könnte die Sorgenfalten mancher Kunden vertiefen und den Händlern das herbeigesehnte Weihnachtsgeschäft vergällen. So hatte sich die wirtschafts- und kapitalismuskritische Degrowth-Bewegung die Abkehr vom Wirtschaftswachstum wohl eher nicht vorgestellt. Denn das Hohelied des Konsumverzichts klingt reichlich zynisch, wenn Menschen hierzulande ihre Wohnung nicht mehr heizen können, Werktätige um ihren Arbeitsplatz fürchten und Tafeln den Andrang nicht mehr bewältigen. In wirtschaftlich prosperierenden Zeiten lässt sich trefflich darüber streiten, ob die globalen sozialen und ökologischen Krisen, wie spekuliert wird, nur durch ein Schrumpfen der Wirtschaft gelöst werden können. Aber wenn die (Welt)Wirtschaft ins Stocken gerät, ausgelöst durch eine weltweite Pandemie und verstärkt durch einen russischen Angriffskrieg, dann sind die Folgen für jeden einzelnen unmittelbar zu spüren – bei uns im einigermaßen wohlstandsgesättigten Deutschland, aber vor allem im globalen Süden, wo man derzeit von über 800 Millionen Hunger leidenden Menschen spricht. Menschen in Cherson, Lyman oder Charkiw, die nicht wissen, wie sie durch den Winter kommen; Menschen in Somalia, mit ihren Kindern auf der Flucht vor der Dürre, die ihnen alle Lebensgrundlagen genommen hat; verzweifelte Menschen in Pakistan, die um Leib und Leben fürchten und in den Fluten alles verloren haben … All die Bilder, die uns täglich frei Haus geliefert werden, lassen uns womöglich etwas bescheidener an die Engpässe und Bedrängnisse hierzulande denken.

Machen wir uns nichts vor: Da wird das Geld für manche Anschaffung nicht reichen, und manches Weihnachtsgeschenk wird möglicherweise (kleiner) ausfallen. Aber einen Adventskalender, der jetzt ja schon angeboten wird: den sollten wir uns dann doch gönnen. Er mag uns daran erinnern, dass wir mit einer Hoffnung unterwegs sind – und mit einer Verheißung: dass sich auch für uns immer wieder neue Türen öffnen; Türen, die wir auch anderen öffnen können, Tag für Tag. Dass sich immer wieder neue Wege auftun, die dazu einladen, auf ihnen zu gehen, zueinander und miteinander. Ein solcher Adventskalender gibt mir jedenfalls und all meinen Gehversuchen eine Zielperspektive: dem entgegen, der bereits auf uns zukommt – Licht im Dunkel und Kraft aus der Höhe. Ja es stimmt, jedenfalls in diesem Sinn: Es ist nie zu früh, an Weihnachten zu denken.