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Was not-wendig ist

Kolumne

Die Krise hat einen neuen Namen: Corona. Die Pandemie breitet sich aus. Schulen schließen. Grenzen werden abgeriegelt. Unternehmen geraten in Existenznot. Das gesellschaftliche Leben kommt zum Erliegen. - Doch wie sich vor der Ansteckung schützen? Wohin soll man fliehen? „Vor Krankheit, Hunger, Pest und Not bewahre uns, o Herre Gott.“ – Worte aus alten Gebetbüchern, längst schon abgelegt, bekommen plötzlich eine ungeahnte Aktualität, und es zeigt sich, dass der Glaube an die unbegrenzte Machbarkeit ein Mythos ist. Zurückgeworfen auf sich selbst und angesichts all dessen, was unübersichtlich, unvorhersehbar, nicht händelbar ist, stellt sich mit neuer Dringlichkeit die Frage, worauf es ankommt, was zählt, was wirklich wichtig ist.

Wie geht Leben in der Krise? Und was bedeutet politische Verantwortung im Krisenmodus? Führung ist gefragt, Glaubwürdigkeit, unprätentiöse Kommunikation und entschiedenes Handeln. Mit all dem hat die Bundeskanzlerin ja schon reichlich Erfahrung. Man denke an ihren markanten Auftritt in der Staatsschuldenkrise: „Die Spareinlagen sind sicher“ (2008) oder an ihre viel kritisierten (aber im Letzten doch bewahrheiteten) Worte auf dem Höhepunkt der Flüchtlings-Wanderung: „Wir schaffen das“ (2015). - Nun also die Corona-Pandemie. Auf ihrer ersten Bundespressekonferenz dazu reichten fünf Worte, die wie ein Versprechen klingen: „Wir werden das Notwendige tun!“ (was an Mario Draghis berühmte Zusicherung der Euro-Rettung von 2012 erinnert: Man werde tun, „whatever it takes“).

Das Not-Wendige tun: Das ist zum einen die Zusicherung, dass die Politik den Ernst der Lage erkannt hat und gewillt ist, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der Krise Herr zu werden – medizinisch wie ökonomisch, national wie international. Damit verbunden ist aber auch der Appell an einen jeden, das Not-wendige zu tun, um Ansteckung zu meiden und sich und andere zu schützen. Besonnenheit ist gefragt, nicht Hysterie; Rücksichtnahme ist angesagt, Gelassenheit und die Bereitschaft, auch Einschränkungen und Beeinträchtigungen hinzunehmen: selbst auferlegte Genügsamkeit eben und der Verzicht auf vieles, was unser Leben sonst so selbstverständlich bereichert hat. So hat sich wohl kaum einer den Verlauf der Fastenzeit vorgestellt. „Unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander“ sind auf eine Probe gestellt, so die Bundeskanzlerin; bleibt nur zu hoffen, „dass wir diese Probe auch bestehen“.

Es ist die Renaissance eines etwas verstaubt klingenden Ideals: einer Solidarität, die man „weder durch Argumente moralisch erzwingen noch als Therapie für ein verwundetes Ich empfehlen kann“ (Bude), und doch ist es beruhigend, dass es möglich ist, das Leben mit vielen zu teilen; dass es den Anderen gibt. Und zu wissen: er ist „wie DU“. In der großen Bedrohung durch einen unsichtbaren Feind, ein tückisches Virus, rückt die Gesellschaft plötzlich zusammen, unbeschadet aller Differenzen, unterschiedlicher Ansichten und divergierender Lebenseinstellungen. Und wenn wir uns auch auf medizinischen Rat hin nicht einmal mehr die Hand geben, so können wir uns doch, so die Kanzlerin mit einem Augenzwinkern, „eine Sekunde länger in die Augen gucken und lächeln".