| Der DOM

Flüchtlingshilfe Ruanda

Gründonnerstag auf einem Fußballacker in Kibungo, einer der ärmlichsten Regionen Ruandas. Die "Borussia Dortmund Boys" spielen gegen die ortsansässige "Deutschlandauswahl"; die Trikots sind ein Geschenk aus Deutschland. Die Dortmund Boys, um einiges jünger und kleiner als ihre Gegner, dafür aber mit zwei "Mann" mehr auf dem Platz, sind zwar besser, verlieren am Ende aber doch mit 0:1. Das sieht so heiter und unbeschwert aus, aber es gibt doch eine Geschichte dahinter. Denn die hier so leidenschaftlich dem Ball hinterherjagen, sind Straßenkinder, AIDS-Waisen, Flüchtlinge aus Tansania, denen die Eltern bei der Vertreibung irgendwie "abhanden" gekommen sind. Das Spiel zu Ehren der Delegation aus Dortmund ist ein kleines Dankeschön für ein Kinder- und Jugendzentrum mit Suppenküche, Berufsbildung und Freizeitangeboten, das mit Spenden aus Deutschland gebaut wird.

Ruanda, eine zutiefst gedemütigte Nation, hat eine schwierige Vergangenheit hinter sich und eine ungewisse Zukunft vor sich. Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 20 Jahren; wer älter ist, leidet noch heute unter dem Trauma des Völkermords - als Täter oder Opfer. 1993 waren innerhalb von drei Monaten über 800.000 Tutsi barbarisch abgeschlachtet worden, nicht zu reden von den Vergewaltigungen und Verstümmelungen, von Kindern, die damals ihre Eltern verloren haben, viele von ihnen mit Aids infiziert.

Viele, die sich damals ins benachbarte Ausland retten konnten, sind heute wieder auf der Flucht. So auch die 50 Familien (295 Menschen), die man letztes Jahr wieder über die Grenze getrieben hat, diesmal in umgekehrter Richtung von Tansania nach Ruanda. Sie mussten ihre Häuser, Kühe, Bananenplantagen ... fluchtartig zurücklassen und haben außer den Kleidern, die sie am Leib tragen, buchstäblich nichts mitnehmen können. Seit acht Monaten leben sie bereits in den "provisorischen" UNHCR-Zelten, zusammengepfercht auf 15 qm pro Familie, ohne Strom und ohne Wasser. Es ist eines von vielen Flüchtlingscamps überall im Land, rd. 32.000 Vertriebene allein aus Tansania; die Flüchtlinge aus dem Kongo noch gar nicht mitgezählt.

Es waren diese Bilder, die Studierende der Campus-Weggemeinschaft der Katholischen Akademie Schwerte bewegt haben, sich nicht einfach mit dem Unfassbaren abzufinden, sondern konkret etwas dagegen zu unternehmen, und sei ihr Beitrag auch nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein... Außerdem gab es über die Kommende bereits einen direkten Draht zu Father Emmanuel, der als Caritas-Direktor in Kibungo den Straßenkindern nicht nur Fußball beigebracht hatte, sondern heute auf nationaler Ebene die Hilfseinsätze koordiniert. So sondierte Anfang April ein Vorausteam in enger Abstimmung mit den lokalen Autoritäten die Lage und schaffte die Voraussetzungen, damit im Sommer die Freiwilligen aus Deutschland für ein Flüchtlingscamp in den Bergen fernab von aller Zivilisation Wasserleitungen legen und erneuern, während der Distrikt die Ziegel zum Bau der Hütten herbeischafft und die Caritas für die Dächer sorgt.

Doch bis es soweit ist, vergehen weitere Monate der verordneten Untätigkeit, so scheint es. Denn ehe man mit den Lehmziegeln etwas aufbauen kann, muss man erst das Ende der Regenzeit abwarten. Aber da der Distrikt jeder Familie bereits eine Parzelle für den Hüttenbau zugewiesen hat, konnte unser Vorausteam dafür sorgen, dass jede Familie eine Hacke erhält, mit der sie schon jetzt ihr Stück Land bearbeiten und Süßkartoffeln pflanzen kann, die besonders vitaminreich sind. Als Geschenk obendrauf gibt es für jede Familie eine Ziege (Milch für die Kinder) und außerdem für alle die Krankenversicherung für ein weiteres Jahr, dazu Schulkleidung, Bücher und Stifte für die Kinder, die ab Mai in die Schule gehen. Auch das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber doch ein Anfang, und es ist bewegend, dass bereits Weniges genügt, um diesen Menschen neue Hoffnung zu geben, so dass sie selber erstaunliche Kräfte mobilisieren, um ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.

Diese Bereitschaft, gegen Lethargie und Hoffnungslosigkeit anzugehen, ist überall spürbar im Land. Aufbruchsstimmung. Und auch wenn Ruanda nach wie vor zu den ärmsten Ländern weltweit gehört (Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen 2011 auf Platz 166 von 182) und rd. 44,9% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt (CIA World Factbook 1/2012), ist die politische, wirtschaftliche und moralische Entwicklungsdynamik im Land überall spürbar. Nach der nationalen Katastrophe des Genozids steht die Herausforderung zur Versöhnung auch heute ganz oben auf der politischen Agenda. In jedem Dorf und an jeder Kirche im Land gibt es Gedenkstätten: offen zugängliche Beinhäuser mit Tausenden von sorgfältig ausgestellten Totenköpfen, Ossuarien etc. Eine ganze Nation lebt seit zwanzig Jahren mit der offenen Wunde des allgegenwärtigen Massakers - und baut darauf die Zukunft: kwibuka - remember unite renew! Lebensprogramm für eine ganze Nation.

Die Woche der nationalen Versöhnung mündete für die Christen unmittelbar in die Karwoche. Was mag es für diese Menschen bedeuten, mit Hingabe und „heiligem Ernst“ die Karliturgie zu feiern und in der Osternacht den Sieg Christi über Tod und Schuld zu besingen und dazu zu tanzen? In der unmittelbaren Begegnung hier mit den Armen und den vom Bürgerkrieg immer noch traumatisierten Menschen ist die Wirklichkeit des Karfreitags jedenfalls unmittelbar gegenwärtig, aber auch die Ahnung, was es heißt, durch die Wunde des Todes hindurch zu gehen und etwas von der Freude der Auferstehung zu spüren: neues Leben, das ausstrahlt.

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