| Der DOM

Investieren in die Zukunft - oder Ackerkauf in Anatot

Das Erzbischöfliche Priesterseminar bietet derzeit ein symbolträchtiges Bild: Wände werden eingerissen, neue Decken eingezogen, das Dach abgedeckt ... Das ehrwürdige Gebäude aus den 30er Jahren, im Krieg weitgehend zerstört und „in der schlechten Zeit“ unter großen Opfern wieder aufgebaut, wird derzeit total saniert und für die Zukunft „fit gemacht“.

Kritiker mögen einwenden, ein solches Projekt passe angesichts der angespannten Kassenlage und geringer werdender Nachwuchszahlen nicht in die Landschaft. Ich verweise in dem Zusammenhang gern auf Jeremia 32, den Ackerkauf in Anatot: Mitten im Belagerungszustand kauft der Prophet, selbst in bedauernswertem Zustand (er wird von den eigenen Leuten in „Haft“ genommen), einen Acker vor den Toren Jerusalems, mitten im Feindesland, denn „man wird wieder Häuser, Äcker und Weinberge kaufen in diesem Land“ (32,15). Gott, so die Prophezeiung des Jeremia, „wendet ihr Geschick“ (32,44).

Doch so schlecht ist es um die Zukunft des Priesterseminars und unserer Diözese wahrlich nicht bestellt. Zwar gibt es derzeit nicht gerade einen Boom von jungen Leuten, die heute Priester werden wollen. Es zahlt sich jedoch aus, nicht auf die Zahlen der Weihekandidaten zu stieren, sondern vielmehr alle Anstrengungen zu unternehmen, die Ausbildung zu optimieren und so den Priesterberuf letztlich auch attraktiver zu machen. Entscheidend ist doch, daß die jungen Priester, die demnächst ihren Dienst in den Gemeinden antreten, gut für ihren zukünftige Aufgabe gerüstet sind. Noch wichtiger als die Zahlen sind die Personen, mit denen Gott seine Kirche auferbauen und erneuern will, und in dieser Hinsicht ist mir um die Zukunft der Kirche und der Gemeinden beileibe nicht bange.

Ich erlebe engagierte und hoch motivierte Seminaristen, die bei allen „Umbaumaßnahmen“, die derzeit auch in unseren Gemeinden und Pastoralverbünden vonstatten gehen, mit Standfestigkeit, Tatkraft und einer optimistischen Grundstimmung den Weg in die Gemeinde antreten. Mittlerweile ist es fester Bestandteil der Ausbildung, daß die angehenden Priester, auch über die Weihe hinaus, in festen Gruppen regelmäßig zu brüderlichem Austausch, zu gemeinsamen Unternehmungen und Gebet zusammenkommen. Hier können sie abladen, was sie belastet, und Kraft schöpfen für ihren seelsorglichen Dienst. So unübersichtlich die Lage auch für den einzelnen bisweilen sein mag: der Zusammenhalt im Kreis der Mitbrüder gibt Rückhalt und ermöglicht zugleich, Perspektiven für die eigene Arbeit zu entwickeln.

„Wer Gemeinde aufbauen will, muß auch gemeinschaftserfahren sein“, so lautet eine der Thesen für den priesterlichen Dienst, die seit Anfang des Jahres unter den Priestern in unserem Erzbistum diskutiert werden. Junge Priester machen sehr wohl positive, aufbauende „Erfahrungen“ und finden darin zugleich eine Perspektive für ihren Dienst in der Gemeinde: ihrerseits auch andere zum Glauben und christlichen Engagement zu ermutigen und zu Austausch und vertrauten Miteinander anzuregen. Der Organismus Gemeinde lebt von solchen Zellen: daß sich Gläubige in den Gemeinden, in den Gremien und Verbänden engagieren und dafür stehen, daß auch morgen „Kirche am Ort“ ist, egal wo im einzelnen die Pfarrgrenze verläuft. Wenn dann und wann eine Umstrukturierung von Gemeinden zu größeren Seelsorgeeinheiten notwendig wird, geht es deswegen noch nicht mit der Kirche bergab. Die Umorganisation von Zuständigkeiten und Zusammengehörigkeiten mag zwar Unannehmlichkeiten mit sich bringen und liebgewordene Gewohnheiten ablösen, doch berührt sie nicht die Kirche in ihrem Innersten. Denn die besteht - zum Glück! - aus Menschen, die sich von Gott anrühren und von ihm bewegen lassen. Und auf solche Menschen kann und wird unsere Gesellschaft auch morgen nicht verzichten; denn sie sind sozusagen die Seele der Gesellschaft (vgl. Diognetbrief). Darum wird es auch in Zukunft Menschen geben, die mit ihrer ganzen Existenz für den Glauben einstehen und sich in den Dienst Gottes und seiner Kirche stellen werden.

Unsere Kirche wie die Gesellschaft überhaupt befindet sich momentan im Umbruch, ähnlich der Baustelle, die zur Zeit das Priesterseminar einnimmt. Es mag sein, daß derzeit keine Anzeichen für eine Renaissance des Christlichen in unserem Land erkennbar sind (in Anatot hat es nach Jeremia noch drei Generationen gedauert, ehe auf dem prophetisch in Aussicht genommenen Acker wirklich geerntet werden konnte). An uns Christen liegt es, ob wir ängstlich auf Untergangsszenarien schauen und uns in Selbstmitleid ergehen, oder ob wir mit kühlem Kopf, aber brennendem Herzen unser „Anatot“ suchen: das Stück Welt außerhalb unserer geschützten Mauern, das es zu kultivieren gilt: mit unserer Liebe, unserem Zeugnis, unserem Engagement. Es ist die Investition in die Zukunft, die uns heute möglich ist. Gott wird daraus zu seiner Zeit, dessen bin ich mir sicher, reife Früchte entstehen lassen.