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Priester aus Passion

Unverständnis der Zeitgenossen

„Ich wünsche Dir viel Kraft für Deinen schweren Weg.“ Was sich wie ein Kondolenzschreiben im Trauerfall liest, versteht sich heute oft als gut gemeinter Glückwunsch zur Priesterweihe. Die spontane Antwort eines Neupriesters: „Danke, aber ich will kein Mitleid. Ich bin sehr zufrieden.“
So ergeht es vielen, die sich heute zum Priesterberuf hingezogen fühlen. Ihre bewusste und freiwillige Entscheidung stößt auch im näheren Umfeld, bei Eltern, Freunden und Bekannten auf Unverständnis. Für die meisten Zeitgenossen, auch in der eigenen Familie und Pfarrgemeinde, ist es mittlerweile schwer nachvollziehbar, dass Gott so wirklich ist, dass er ein Menschenleben auszufüllen und zur Erfüllung zu bringen vermag, auch ohne dickes Konto, Sex und Karriere. Da ist ein Leben in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam, wie das Evangelium es vorschlägt, provozierend, aber auch faszinierend.
Wer einmal eine Priesterweihe miterlebt hat, versteht vielleicht deutlicher, dass Priestersein kein Job wie alle anderen ist, sondern eine Lebensentscheidung. Einzeln treten die Kandidaten vor und legen ihre Hände in die des Bischofs. „Gott selbst vollende das gute Werk, das er in dir begonnen hat!“ Ohne diese Dimension der Lebenshingabe wird man nur schwer verstehen, warum Priester nicht heiraten. Dabei steht nicht der Verzicht im Vordergrund, sondern die persönliche Erfahrung, so unbedingt von Gott und seiner Botschaft angegangen zu sein, dass man mit ganzer Hingabe für Ihn und für Sein Kommen leben will.

 

Prophetische Gestalt des Amtes

Wer heute Priester wird, hat eine 7-jährige Vorbereitungszeit, in der es nicht nur Phasen der Begeisterung, sondern auch der Ernüchterung und der reiflichen Prüfung gibt. Hier braucht es vor allem eine gute geistliche, ggf. auch psychologische Begleitung, um für sich zu klären, ob man ein Leben lang zölibatär leben kann – und will. Denn keiner verzichtet leichtfertig auf Ehe und Familie „um des Reiches Gottes willen“ (vgl. Mt 19,12). Schließlich sind auch Priester und solche, die es werden wollen, keine asexuellen Typen, und es gibt Momente, wo das Fehlen von Zärtlichkeit und intimer Nähe zu einem Menschen schmerzt. Aber kann sich denn, wer nicht dem Zölibat verpflichtet ist, alle Freiheiten zum Ausleben seiner Bedürfnisse nehmen? Von Eheleuten, die ihre Beziehung bewusst unter christlichem Anspruch leben, weiß ich, wie viel Verzicht, Hingabe und Rücksichtnahme auf den anderen auch die verantwortete Partnerschaft verlangt.

Bedenkt man, dass Jesus selbst ehelos gelebt und die Jünger in seine radikale Nachfolge gerufen hat, wird man keineswegs behaupten können, der Zölibat habe keine biblische Verwurzelung; und ich finde es beeindruckend, dass die katholische Kirche durch die Jahrhunderte diejenigen, die in ihr den Dienst der Leitung ausüben, auf diese zölibatäre Lebensform verpflichtet. Durch diese prophetische Gestalt ihres Amtes sind die Priester immer wieder auch existentiell auf den verwiesen, den sie in und gegenüber der Gemeinde repräsentieren sollen. Wäre es nicht zu kurz gegriffen, wollte man den Zölibat der Priester abschaffen, bloß weil man ihn heute nicht mehr versteht? Nach meiner Beobachtung wächst in letzter Zeit wieder die Einsicht, „dass die Krise des Zölibats letztlich nicht zu beheben ist durch eine weitere gutbürgerliche Liberalisierung, sondern nur durch jene evangelische Radikalisierung“ (Bischof Koch). Im Kontakt mit Ordensleuten oder Priestern wird man feststellen, dass sie – in der Regel jedenfalls - keine verklemmten oder verknöcherten Typen sind, die sich vom Leben betrogen fühlen. Natürlich gibt es auch bei Priestern Krisen oder ein Scheitern des eigenen Lebensentwurfs, und die Gründe mögen vielfältig sein. Doch steht dem die übergroße Zahl derer gegenüber, die mit sich selbst identisch sind und sehr überzeugend und authentisch ihr Priestersein leben - trotz oder gerade wegen des Zölibats.

 

Spirituelle Verankerung

Wenn ich mit jungen Leuten über die Priesterberufung spreche, staune ich oft über ihren Idealismus, ihre Großherzigkeit und Bereitschaft, für den Glauben das eigene Leben in die Waagschale zu werfen, auch um den Preis des Zölibats. Aber sie machen sich Sorgen, wie sie später mit der Alleinsein umgehen können, und ob man im pastoralen Alltag geistlich bestehen kann, ohne zum Organisator, Manager oder Funktionär zu verkümmern. Die Sorgen sind nicht neu. Schon von Jesus und seinen Jüngern wird berichtet, dass die ganze Stadt vor ihrem Haus versammelt war. Aber Jesus braucht und nimmt sich die Zeit, um allein beim Vater zu sein. „In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten“ (Mk 1,35). Als die Jünger später von ihrem pastoralen Auftrag zurückkehren, lädt er sie ebenfalls ein: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen.“ (Mk 6,31). Es braucht diese spirituelle Verankerung, jenen beständigen Rückbezug auf Gott, allein und mit geistlichen Weggefährten, ohne den der Zölibat um seine Kraft gebracht wird und auch kein prophetisches Zeichen mehr ist.