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Priester für das 21. Jahrhundert

Ein Ausblick

 

„steht noch dahin ...“

Priesterausbildung in unübersichtlicher Zeit

Unübersichtlichkeit ist ein Signum der Zukunft. Priesterausbildung kann und muss sich daran orientieren, was heute gefordert ist. Aber was auf jene noch zukommen wird, die heute im Seminar und morgen als Priester in den Gemeinden sind, „steht noch dahin“.
Im Foyer des Paderborner Priesterseminars findet sich eine Projektionswand: ein Magnet für alle Besuchergruppen. In stetig wechselnder Folge werden dem Eintretenden die Weihejahrgänge des letzten Jahrhunderts präsentiert, die seit der Eröffnung des „neuen“ Priesterseminars 1931 den Geist des Hauses mit geprägt haben und hier die Zurüstung für ihr priesterliches Leben erfahren haben.

Da blicken etwa Männer der 30er Jahre mit entschlossenen, ernsten Mienen in schwarzen Soutanen in die Kamera. Was werden sie geahnt haben von den Schrecken der Nazizeit, die schon bald nach ihrer Priesterweihe über sie hereinbrechen sollten? Waren sie gerüstet, als Priester ihren Dienst in einer Zeit der Zerstörung und des Todes, später des Wiederaufbaus zu leisten? Die Aufnahmen der ersten Weihekurse nach dem Krieg sind vor dem noch zerstörten Seminargebäude entstanden: hoffnungsfrohe Gesichter am Tag ihrer Priesterweihe, Kriegsheimkehrer so mancher, bereit für den geistig-moralischen Wiederaufbau, hoffend auf einen religiösen Aufschwung einer von Krieg und Zerstörung erschütterten Gesellschaft. Haben sie ahnen können, dass auf eine kurze Phase der Erstarkung der Kirche in unserem Land der stille Auszug so vieler einsetzen würde? Es sind dieselben Männer, die als Priester in den 60er Jahren erlebt haben, wie die Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil zu einer fundamentalen Neubestimmung fand - mit damals unabsehbaren Konsequenzen für die Rolle und das Selbstverständnis des Priesters. Manche der stolzen Neupriester auf dem Foto hat bald hernach das geistliche Amt aufgegeben.
Wenn man die Biographien älterer Mitbrüder liest, stellt sich die Frage, wie viele Wandlungen und Veränderungen (nicht nur) dem Priester im Laufe seines Lebens zugemutet - und zugetraut werden. Es ist beeindruckend festzustellen, wie sehr sie in der Zeit gelernt haben, bereit zum Um- und Weiterdenken, dazu entschlossen, die Herausforderungen je ihrer Zeit anzunehmen und ihren Gemeinden in de jeweiligen Veränderungsprozessen beizustehen. Sich der Dynamik der Veränderung zu entziehen, hätte Stillstand bedeutet, und auch den hat es im Einzelfall gegeben. Es mag daher von Interesse sein zu fragen, ob und inwieweit die Ausbildung jener Generationen an der Persönlichkeitsentwicklung der künftigen Priestergenerationen Anteil hatte. Ob das Seminar den angehenden Priestern ein Fundament, vielleicht auch Instrumentarium mitgeben konnte, das sich in der Bewältigung der jeweils anstehenden, bis dahin unvorhersehbaren Probleme und Konstellationen bewährt hat. Oder ob es schlicht das Leben war, das jenen Führungspersönlichkeiten der Kirche und Hoffnungsträger ihrer Zeit der eigentliche Lehrmeister war.

Diese Fragestellungen gehen mit, wenn man im Rückblick auf die Geschichte des Seminars einen Blick in die Zukunft werfen soll, mehr noch: Kriterien entwickeln soll, wie die angehenden Priester angemessen und verantwortet auf ihren künftigen Dienst in einer schwer prognostizierbaren Zukunft zuzurüsten sind. Solche Anfragen lese ich auch auf den erwartungsvollen Gesichtern jener Primizianten, die ich selbst in den letzten Jahren auf den priesterlichen Dienst vorbereitet und bis zur Priesterweihe begleitet habe. Sind sie gerüstet für die heute noch unabsehbaren Herausforderungen, die in einem Priesterleben zu gewärtigen sind?

Die Kirche der Gegenwart definiert sich selbst als eine Kirche im Umbruch. Der ungleichzeitige Abbruch milieugestützter Frömmigkeit und volkskirchlicher Strukturen wird schmerzhaft erfahren, aber die Gestalt des Neuen deutet sich erst schemenhaft an. Nur langsam schält sich heraus, wie der Auftrag der Kirche in einer postmodernen, synkretistischen, indifferenten und zugleich allem Religiösen aufgeschlossenen Gesellschaft Form und Struktur gewinnen kann. Der Priester soll ihr ein Gesicht geben; er steht inmitten dieser Veränderungsprozesse, und zwar als Protagonist, nicht in irgendeiner Nebenrolle - eine Überforderung für jene, die selbst auf der Suche nach ihrer Identität sind und doch zugleich anderen Orientierung und Sicherheit geben sollen? Ob der Priester will oder nicht: auf ihn schauen die Gläubigen, an ihm wird abgelesen, wofür die Kirche unserer Tage steht. An ihm liegt es, im Zusammenspiel der haupt- und ehrenamtlich Engagierten für die gemeinsamen Ziele zu werben. Ich erlebe, wie viele junge Priester an dieser Aufgabe wachsen und oft eine - für ihr Alter - erstaunliche Reife an den Tag legen; ich erlebe aber auch, dass manche sich schwer tun, als eine „öffentliche Person“ unvermutet Projektionsfläche für Erwartungen und Ideale, aber auch von Kritik und ungerechtfertigten Urteilen zu sein. In einer Zeit der Dispersion des Religiösen und der weltanschaulichen Beliebigkeit ist es gerade der Priester vor Ort, dem die Rolle zufällt, mit seiner Person für die Wirklichkeit und Wirkmacht Gottes einzustehen, die Gemeinde - in Kooperation und Kommunikation - auf Gott auszurichten und sie im Geist der gegenseitigen Liebe und Einheit um den auferstandenen Herrn in ihrer Mitte zu sammeln. Es wäre fatal, wenn der Priester keinen Sinn dafür hätte, dass Gott nach denen fragt, die (noch) nicht „da“ sind, und der Gemeinde den Sinn ihrer Bestimmung vorenthielte, sacramentum mundi zu sein: personaler Raum, in dem die Menschen - alle Menschen! - mit Gott in Berührung kommen (vgl. 1 Kor 14).

 

Mensch, werde wesentlich!

Essentials der Priesterausbildung

Der Bildungsauftrag des Priesterseminars läßt sich von jeher lapidar beschreiben: heute Priester für morgen ausbilden. Das ist, insofern es sich um die Qualifizierung von Führungskräften in einem stabilen, über Jahrhunderte gewachsenen und geprägten Milieu handelt, wie es der Katholizismus unter dem societas perfecta - Gedanken machtvoll und überzeugend formuliert und dogmatisch und rechtlich abgesichert hat, höchstens noch in Nuancen modellierbar, eine berechenbare und normierbare Aufgabe. Sie wird freilich zum Dilemma, wenn die Gestalt der Kirche, wie vom Zweiten Vatikanischen Konzil als Reaktion auf die rasanten gesellschaftlichen Veränderungsprozesse angestoßen, selbst im Wandel begriffen ist und ihre Bestimmung und ihren Auftrag zur Evangelisierung am Ende einer „christentümlichen Gesellschaft“ (Zulehner) erst im Vollzug erkennen und realisieren muß. Wer vermöchte vorherzusagen, welches Gesicht die Kirche in zwanzig, dreißig Jahren in unserem Land hat, und wie sich in ihr der Dienst des Priesters ausnimmt?

Doch ist es vielleicht gerade von Vorteil, dass es das vorgestanzte Modell des Priesters nicht gibt, so dass die Kirche sich in viel stärkerem Maß herausgefordert sieht, je neu danach zu fragen, wie Gott heute seine Priester will. Angesichts der „neuen Unübersichtlichkeit“ (Habermas) unserer Gesellschaft, die auch an der Kirche und dem Geistlichen Amt nicht spurlos vorübergezogen ist, braucht es, so eine erste Erkenntnis, Generalisten, nicht Spezialisten: Priester, die sich auf die Grundlagen und essentials ihrer Berufung und Sendung besinnen und eben deshalb eine größere Flexibilität besitzen, sich den jeweiligen Konstellation anzupassen und den priesterlichen Auftrag zu erfüllen. Dabei wird sich zeigen, dass sich von hier aus sehr wohl die Konturen des priesterlichen Amtes abzeichnen, das zukunftsfähig ist, weil es essentiell in Gott gegründet ist und weniger dem Zeitgeist noch modischen Trends Tribut zollt.
Ist die Adaptierung priesterlichen Tuns in unterschiedlichen Kontexten nicht beschreibbar, so helfen vielleicht einige - zeitlose - Kriterien weiter, den den Priester an sein „Kerngeschäft“ erinnern, hier festgemacht an vier Stichworten, ebenfalls in zeitlosem Latein formuliert.


consecratio
Es ist eher von Vorteil, dass die Funktion des Amtes derzeit nicht präzise zu fassen ist, so dass der fundamentale Akt der Weihe und Hingabe deutlicher in den Vordergrund tritt. Was immer der Priester im konkreten Vollzug tun oder lassen soll: er ist jemand, der sich mit seiner ganzen Existenz Gott geschenkt hat, zum Dienst an der Kirche. Und wer sich verschenkt hat, hat sich nicht mehr, sondern ist frei, sich senden zu lassen, wo und wie Gott - und in seinem Auftrag die Kirche , d.h. konkret der Bischof - es will. Höchste Flexibilität im Einsatz wird möglich auf dem Grund größter Stabilität, der Verankerung in Gott.

Wenn Priesterausbilder heute also ratlos sind, auf welche konkreten Situationen und Herausforderungen sie die künftigen Amtsträger vorbereiten sollen, dann sind sie gut beraten, die vocationale Dimension von Weihe und Hingabe an Gott zu fokussieren und zum Angelpunkt aller theoretischen wie pastoralpraktischen Zurüstung zu machen: in der Perspektive einer Freiheit, die zu allem bereit ist, was immer sich als Wille Gottes zeigt - weil das Wesentliche und Eigentliche in der Weihe an Gott bereits geschehen ist. Das enthebt den Ausbilder zwar nicht der Sorge, die künftigen Priester mit dem nötigen Handwerkszeug und know how für den Pastoraleinsatz zu versorgen, unbeschadet aller Begrenztheit und Vorläufigkeit des zur Verfügung stehenden Instrumentariums. Denn das wichtigste Instrument des priesterlichen Dienstes ist die Person und Persönlichkeit des Kandidaten selbst, von Gott berufen und zum Dienst begabt. Er wird nicht präventiv auf alle pastoralen Eventualitäten vorbereitet werden können; vielmehr geht es primär darum, Einstellungen und Haltungen grundzulegen, die ihn dazu befähigen, situativ angemessen und kirchlich verantwortet auf die Erfordernisse der Seelsorge zu reagieren. Als flankierende Maßnahmen zu dieser geforderten Persönlichkeitsorientierung in der Ausbildung bedarf es weiterer Unterstützungssysteme, die über den Tag der Priesterweihe hinaus greifen: Rahmenbedingungen, die den Absturz in einer Überforderungssituation vermeiden und die Herausforderung bewältigen helfen. Hier ist zum einen die spirituelle Ausbildung, Anbindung und Begleitung gefordert; zum anderen braucht es die Einbindung des einzelnen Priesters in kollegiale und mitbrüderliche Strukturen, etwa durch die Stärkung des Weihekurses, die Förderung des geistlichen Austauschs, die Installierung von Supervisionsgruppen, Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu Dienstvorgesetzten, so dass angstfrei die jeweiligen Schwierigkeiten und Probleme angegangen und besprochen werden können.

compassio
Aus der Bereitschaft, sich Gott zu weihen und dem Dienst an der Verkündigung der Heilsbotschaft und des Mitwirkens am Kommen des Reiches Gottes zu verschreiben, erwächst die compassio: Teilnahme an der Leidenschaft Gottes für den Menschen. „Gloria dei vivens homo“(Irenäus) - Wer sich nicht die leidenschaftliche Parteinahme Gottes für den Menschen zueigen gemacht hat, taugt eigentlich nicht, so hart dies klingen mag, für den Priesterberuf. Das Zerbrechen uneingeschränkt gültiger Priesterbilder, auf die hin die nachwachsende Priestergeneration erzogen und geformt werden könnte, verweist uns auf den Prototyp des Priesters schlechthin, Christus selbst. An ihm, „der für uns Menschen und um unseres Heiles willen“ herabgestiegen ist, muss der Priester für seine persönliche Lebensführung Mass nehmen, nicht spiritualisierend, sondern konkret: in Gedanken, Worten und Werken, in feinfühliger Aufmerksamkeit, mit Zeiteinsatz und Verfügungsbereitschaft ... Sein Verhalten gegenüber Angestellten, Mitarbeitern/-innen, Gläubigen verrät oft mehr über seine Haltung und Einstellung als die beste ausgeklügelte Predigt. Der Priester ist, idealtypisch gesehen, also jemand, der liebt, und diese Haltung läßt sich im Laufe der Ausbildung durchaus einüben und verifizieren. Bedauerlicherweise ist diese wesentliche Dimension priesterlicher Existenz in den derzeitigen Ausbildungskatalogen eher schwach repräsentiert. In den Bereitschaftserklärungen etwa der Diakonenweihe werden die Kandidaten zwar explizit auf die Parteinahme für die Armen, Kranken, Schwachen, Heimatlosen ... verpflichtet. Doch auch hier bleibt die Frage, ob und wie - über den appellativen Charakter hinaus - diese Mahnung zu einer entsprechenden Gesinnung und menschenfreundlichen Haltung führt. Ob auf dem Feld der tätigen Liebe Wachstumsprozesse initiiert und begleitet werden, dürfte nicht zuletzt über die Angemessenheit der Ausbildungsstätten Auskunft geben.

communio und communicatio
In der Weiheliturgie werden die Kandidaten nach ihrer Bereitschaft gefragt, sich immer tiefer an Christus zu binden. Alles Mühen und Tun gründet in der Vertrautheit und inneren Verbundenheit mit Christus, und aus dieser communio erwächst auch der Auftrag und das pastorale Bedürfnis zur communicatio: mitzuteilen, was man selbst empfangen hat. Aus dieser Dynamik läßt sich der pastorale Auftrag des Priesters als Dienst an der Einheit beschreiben. Wie Christus der „communicator perfectus“ ist - er, der wesenhaft Logos, Wort des Vaters, ist: „der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruhte, er hat Kunde gebracht“ ( Joh 1,18) - , so hat auch der Priester Anteil an der Sendung Jesu. Ihm eignet eine durch und durch worthafte Existenz; er ist dazu gesandt, die Menschen mit dem Wort par excellence, Christus, in Kommunikation bringt. Das bedeutet mehr als eine Beauftragung zur Predigt, es erhebt vielmehr den Anspruch, mit der eigenen Person dem Evangelium Ausdruck und Gestalt zu verleihen. Das stellt auch Fragen an die Priesterausbildung: Lernen die künftigen Priester, jenseits der gültigen und formal korrekten Zelebration etc. ihren Dienst an der Einheit auszurichten, zum Aufbau der Gemeinde, in Wort und Sakrament? Dies wird nur zu realisieren sein, wenn die Kandidaten existentiell aus dem Wort Gottes und der Eucharistie leben.

Im Ritus der Bischofsweihe wird dem erwählten Kandidaten das Evangelienbuch wie ein Dach über den Kopf gehalten. Dieser Gestus bringt sinnenfällig zum Ausdruck, dass der geweihte Amtsträger - hier geht es um die Vollgestalt des priesterlichen Amtes - fortan in besonderer Weise unter dem Wort Gottes steht, das er verkündigen soll: Existenz im Haus des Wortes. Die Welt hört mehr auf Zeugen denn auf Lehrer, wie Paul VI in seinem Schreiben „Evangelii nuntiandi“ vermerkt, und wenn auf Lehrer, dann auf solche, die auch Zeugen sind. Der (amtlich bestellte) Verkünder des Wortes Gottes steht selbst als erster auch unter dem Anspruch des Wortes. Unbeschadet aller Kompetenzen und unterschiedlichen Beauftragungen beschreibt das Wort Gottes mithin einen egalitären Zug im Gottesvolk: Alle sind dem Wort Gottes verpflichtet, der Pfarrer ebenso wie jedes Gemeindemitglied, der Seminarvorsteher nicht minder wie der Seminarist. In dieser Hinsicht gibt es keine Hierarchien, sondern nur eine größere oder geringere geistliche Reife: die Bereitschaft, sich vom Geist des Evangeliums durchdringen zu lassen und aus ihm zu leben. Wird der Priester von morgen in der Lage sein, seine geistliche Erfahrung mit dem Wort Gottes in einer Atmosphäre der Geschwisterlichkeit zu kommunizieren, ohne sich hinter distanzierenden Formen der Predigt und Unterweisung zu verstecken? Ist der Kommunität eines Priesterseminars das gemeinsame Stehen unter dem Wort Gottes, bewußt, und gibt es - unbeschadet der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Kompetenzen - und eine brüderliche Kommunikation über das Leben mit und aus dem Wort, die zugleich verbindend und kommunitätsfördernd wäre, in einem Klima des aufeinander Hörens und voneinander Lernens?

Ihren dichtesten Ausdruck findet diese Einheit des neuen Gottesvolkes in der Feier der Eucharistie, in der Christus selbst der Priester, der Altar und das Opferlamm ist. Ihn repräsentiert der Priester, der der Gastgeber dieses Mahles ist und in der Kommunion die Gläubigen in den einen Leib Christi hinein kommuniziert: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, die ihr seid: Leib Christi“ (Augustinus). Für die Priesterseminare wird es zu einer Gewissensfrage, ob die Einheit der Kommunität vom Altar her wächst, und ob die künftigen Priester in dieser Haltung die Eucharistie feiern: dass Christus sich allen schenken, alle in seinen mystischen Leib hineinholen will. Es wäre zu wenig, sich darauf zu beschränken, dass der priesterliche Dienst am Altar formal korrekt - recte rite - vollzogen wird.

Schließlich: Wer zur Communio mit dem dreifaltigen Gott führen soll, kann selbst nicht „Single“ sein. Dem priesterlichen Amt eignet daher konstitutiv eine kommuniale Struktur, die vom Amtsträger je persönlich existentiell einzuholen und zu realisieren ist. So wenig sich die priesterliche Würde in der persönlichen Vervollkommnung des einzelnen erschöpft, so wenig ist sie auch dem einzelnen für sein privates Pastoralprojekt gegeben. In der Priesterweihe wird der Kandidat in das Presbyterium um den Bischof hinein geweiht, zusammen mit all jenen, mit denen er im selben Weinberg unter derselben Bürde und „Aufgabe“ (munus) steht. Der Arbeitsauftrag ist eine Beauftragung zur Mitarbeit; der Weihekandidat wird nicht nur zum Priester, er wird auch zum Mitbruder geweiht. Diese Dimension muss in der Priesterausbildung erschlossen werden. Hier wird gemeinschaftliches Leben unter Priestern grundgelegt, in geistlicher Offenheit und menschlicher Vertrautheit, woraus die Priester in der Hitze des pastoralen Alltags werden zehren können. Das Wort Jesu an seine Apostel gibt den Ton auch für die priesterliche communio und communicatio an: „Kommt mit mir an einen abgelegenen Ort und ruht ein wenig bei mir aus!“

 

Quo vadis domine?

Priester für das dritte Jahrtausend

Die Legende berichtet, wie Petrus, als sich ihm auf wundersame Weise die Möglichkeit zur Flucht aus der Kerkerhaft bietet, aus Rom flieht, als ihm an der Stadtgrenze Jesus begegnet, beladen mit einem Kreuz. Auf die Frage: quo vadis domine -„Wohin gehst du, Herr?“ antwortet Christus: Ich gehe für Dich in die Stadt zurück, um mich ein zweites Mal kreuzigen zu lassen. Ohne die Einmaligkeit und Einzigartigkeit des Kreuzes- und Erlösungsopfers Christi in Frage stellen zu lassen: Martyria - „Zeugnis“ ist unabweislich mit dem Leben, der eigenen Existenz zu geben. Damit wird in letzter Konsequenz deutlich, wozu der Bischof den Weihekandidaten in der Weiheliturgie mahnt: „ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes!“
Quo vadis domine? Nachfolge geschieht für den Priester letztlich in der Dimension des Kreuzes, genauer: in der Entscheidung für den Gekreuzigten, der durch den Tod hindurch gegangen ist und uns von jenseits der Wunde zuruft: „Habt Mut, ich habe die Welt besiegt!“ (Joh 16,33). Wer so mit dem Gekreuzigten durch die Wunde des Todes hindurchgegangen ist, kann auch das Wunder der Auferstehung verkünden: Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Er lebt unter uns! (vgl. Lk 24,34-36)

Was kommt, auch auf den Priester von heute noch alles zukommt, „steht noch dahin“ und ist nicht zu überblicken. Aber in der Verbindung mit Christus kann der Priester gelassen all dem Kommenden entgegensehen: es wird ihn herausfordern, möglicherweise auch überfordern, aber es wird keine Nacht gaben, die so dunkel wäre, dass sich in ihr nicht bereits der Gekreuzigt-Auferstandene finden ließe, der von jenseits der Wunde zuruft: „Ich bin bei euch bis zur Vollendung der Welt“ (Mt 28,20) So wird auch der Priester nicht von Schwierigkeiten und Kämpfen verschont bleiben, aber er wird im Vertrauen auf Gott stehen und gehen können, in Verbundenheit mit all jenen, die mit ihm den Weg des Glaubens in der Zeit gehen.

So wünsche ich mir für das 21. Jahrhundert Priester, die aus der Einheit mit Gott leben und zur Einheit mit ihm führen. Sie dürfen in Gelassenheit und freudiger Erwartung dem Kommenden entgegengehen, in der Gewißheit, das sich darin bereits der Kommende, Christus selbst, unwiderruflich ansagt.