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Priestergeschichten - eine interaktive Erfolgsstory

Eine kurze Begebenheit:

Als ich aus dem Urlaub wieder an meinen PC zurückkehre, entdecke ich eine e-mail von einem mir unbekannten Absender, allerdings ohne Inhalt. Vielleicht ein Versehen, auf das ich den Verfasser kurz aufmerksam mache. Zwei Tage später erhalte ich von ihm eine weitere e-mail. Es handelt sich um einen jungen Mann, der mit großem Interesse jede einzelne der „Priestergeschichten" im Internet gelesen und dabei „aus Versehen" die Taste Senden gedrückt hat. Aber da er nun einmal mit mir in Kontakt stehe, möchte er gern von sich berichten. Nach dem Abitur trete er in diesen Tagen seinen Zivildienst an, sein Berufsziel habe er schon klar. Doch in letzter Zeit häuften sich Bedenken, ließe ihn die Fragen nach Gott und nach einem Leben aus dem Glauben nicht los. Schließlich sei da auch der beunruhigende Gedanke, vielleicht Priester werden zu sollen. In dieser Verfassung sei er auf die „Priestergeschichten" gestoßen und habe sich davon unmittelbarbar angesprochen gefühlt.

 

„Priestergeschichten. Von und für Idealisten“

Eine offene Geschichte, und zugleich symptomatisch für viele ganz ähnliche Reaktionen, die die kleine Broschüre hervorgerufen hat, die seit Mai 2002 vorliegt und zu der auch eine eigene Website im Internet geschaltet ist: www.priestergeschichten.de. Es sind Idealisten, jene hier portraitierten Priester, die in den letzten 15 Jahren das Paderborner Priesterseminar durchlaufen haben und nunmehr in ganz unterschiedlichen Arbeitsfeldern als Priester im Einsatz sind. Denn es werden in dieser Broschüre keine noch so brillanten Ideen und Appelle formuliert. Und es sind Idealisten, die sich von diesen Geschichten angesprochen fühlen, den Lebensbildern von einigen Priestern, die wie alle Menschen ihre Sehnsüchte, Hoffnungen Grenzen und Zweifel haben, die sich aber für eine Idee, ein Ideal begeistert haben und ihr Leben dafür in die Waagschale geworfen haben. Geschichten - von und für Idealisten. Es sind in der Tat zwei ungewöhnliche Personengruppen, die hier zusammenfinden: Priester, die sich über die Schulter und in ihre persönliche Glaubens- und Berufungsgeschichte schauen lassen und darüber Auskunft geben, wie sie ihre Ideale im Leben umzusetzen versuchen. Junge Leute, die gerade diese ehrliche und authentische Art fasziniert und die sich angesprochen fühlen nachzufragen, sei es im Schutz der Anonymität des elektronischen Netzes, sei es im geschützten Raum der persönlichen Begegnung.

 

Zeit für Berufung

Anliegen der Initiative des Erzbischöflichen Priesterseminars ist die niedrigschwellige Präsentation vielfältiger und unterschiedlicher Priestertypen, Einsatzfelder und Zugangswege zum Priestertum, die eine möglichst große Identifikationsbreite abdecken. Das ist auch nötig, denn Jugendliche fühlen sich im Ringen um die eigene Berufung allein gelassen, wie eine Studie im Auftrag der us-amerikanischen Bischofskonferenz unlängst festgestellt hat. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert gibt es auch in Deutschland ein nicht gerade günstiges Klima für geistliche Berufungen. Anders als noch vor ein - zwei Generationen werden junge Leute, die ernsthaft über ein Lebensengagement in der Kirche nachdenken, von ihrem persönlichen Umfeld immer seltener unterstützt und bestärkt. Oft wird eine Berufungsintuition eher in Frage oder gar in Abrede gestellt. Hatte man in Familie und Pfarrei, oft auch unter den engeren Freunden einstmals natürliche Verbündete, wenn es um die Frage des persönlichen Berufungsweges ging, so hat sich dies heute weithin in sein Gegenteil verkehrt.

 

Internet: „geschützter Raum für persönliche Fragen"

Da ist ein anonymes Medium gerade recht, über das man sich Informationen aus erster Hand besorgen kann, ohne nach außen ein persönliches Interesse bekennen zu müssen. Die „Priestergeschichten" versuchen dem Rechnung zu tragen, indem sie zehn Priester zu Wort kommen lassen, die auf ganz unterschiedlichen Wegen ihre Lebensentscheidung getroffen haben. Sie berichten ungeschönt von ihrem Ringen, Suchen und Finden, von den Schwierigkeiten, Hindernissen und Umwegen, die sich auftun, aber auch von der Freude und inneren Zufriedenheit, wenn man sein Lebenskonzept gefunden hat.
Doch es muss nicht bei der ersten anonymen Information bleiben. Broschüre wie Website zielen im Gegenteil darauf ab, einen diskreten Kontakt mit den interviewten Priestern zu ermöglichen. Daher sind alle Artikel mit Name, Anschrift und e-mail-Adresse veröffentlicht (bzw. auf der Homepage mit einem Link versehen).

 

Die eigene Geschichte erzählen

Doch die gedruckten wie elektronisch verbreiteten „Priestergeschichten" haben einen entscheidenden Makel: es sind nur zehn exemplarische Geschichten. Dabei wäre jede Priestergeschichte wert, erzählt zu werden. Insofern wendet sich die Initiative an alle Priester und engagierten Laien, von der eigenen Berufung Zeugnis zu geben, die eigene Geschichte zu erzählen. Manch ein zögerlicher Berufsträger würde überrascht feststellen, wie viele sich für die eigene Geschichte interessieren würden.

 

„Vocational teams“

Insofern sind die „Priestergeschichten" nur Teil eines umfassenderen Konzepts zur Berufungspastoral. Der Schwerpunkt muss darauf liegen, Priester und Gläubige dazu zu befähigen, von ihrem Glauben und ihrer je eigenen Berufung bereitwillig Auskunft zu geben. Es gibt zu denken, wenn die bereits zitierte amerikanische Studie notiert: „viele junge Leute, die sich mit ihrer Berufung auseinandersetzen, sagen, dass sie diese eventuell deswegen nicht weiter verfolgen, 'weil sich nie jemand dafür interessiert hat'." Auf eine Formel gebracht: „Es gibt viele Samuels, aber es fehlen die Elis." Daher muss Berufungspastoral bei den Trägern einer Berufung ansetzen und diese zu motivieren suchen, die Schönheit der eigenen Berufung neu zu entdecken und ihre Faszination auch nach außen darzustellen. Denn junge Leute werden letztlich nur über das persönliche Zeugnis angesprochen, in einer von Offenheit und Authentizität geprägten Atmosphäre, in der das Thema der Berufung undramatisch und unaufdringlich präsent ist. Aus dieser Erkenntnis heraus hat Kardinal Degenhardt in seinem letzten Pfingstbrief explizit dazu aufgerufen, in den Gemeinden und Pastoralverbünden sog. vocational teams ins Leben zu rufen: Berufungsgruppen, die regelmäßig zu Jugendvesper, Schriftgespräch etc. zusammenkommen, wo sich auch die Gelegenheit bietet, dass jemand seine Berufungsgeschichte erzählt. Die „Priestergeschichten" wollen dazu ermutigen und einen Anstoß geben.

 

Priesterbilder und ihre Geschichten

So fügen sich die „Priestergeschichten“ in den größeren Zusammenhang der Berufungspastoral, die letztlich nur im Kontext einer geistlichen Vitalisierung der Kirche und der sie tragenden Glieder fruchtbar sein kann. Ein Jubiläum wie das des Priesterseminars kann daher nicht nur Anlass für eine museale Retrospektive auf 225 Jahre Seminargeschichte sein. Die über das Internet abrufbaren Priestergeschichten bieten dem interessiert surfenden Besucher die Möglichkeit, über die Betrachtung der Exponate hinaus mit Exponenten dieses Berufsstandes selbst interaktiv zu kommunizieren. Damit wird der ins „Netz“ gestellte „Gegenstand“ zu einem lebendigen Gegenüber, der von der Ebene der Selbstpräsentation in jene der kommunizierenden Auseinandersetzung wechselt. So löst sich mit den „Priestergeschichten“ auf überraschende Weise der hohe Anspruch ein, den Priester nicht nur als museales Auslaufmodell und Relikt der letzten Jahrhunderte zu zeigen, sondern ihn als durchaus attraktiv und zukunftsfähig auch für heutige Zeitgenossen vorzustellen: das alte und doch immer wieder neue Geistliche Amt, es ist in seinen Priestergestalten wie deren Geschichten auch heute noch äußerst lebendig, modern und innovativ. Insofern könnte es durchaus gefährlich sein, beim Surfen im Internet auf diesen Seiten hängen zu bleiben. Nicht auszuschließen, dass man unwillkürlich, wie im oben geschilderten Fall geschehen, mit den Priestergeschichtlern Kontakt aufnimmt – mit unabsehbaren folgen.

 

Priestergeschichten - eine interaktive Erfolgsstory in:

"Dem Evangelium d(ein) Gesicht geben": Berufung, Zur Pastoral der geistlichen Berufe, 2000, Heft 41, 31-33.