| Kirche in WDR 2-5

3 - Steh auf! Geh deinen Weg!

Guten Morgen, verehrte Hörerinnen und Hörer!

„Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt“ – Stimmungsschwankungen, wer kennt sie nicht? Heute noch sonne ich mich im Glanz eines Erfolges, strotze ich vor Selbstvertrauen und könnte Bäume ausreißen, und morgen holen mich schon all die Sorgen, Probleme und Selbstzweifel wieder ein und ziehen mich runter. Mag man sich auf der Bühne dieser Welt auch stark, cool, interessant oder attraktiv geben: wenn sich der Vorhang schließt, fällt von einem ab, was nur Fassade, Maske, Inszenierung ist.

Ich muss dabei an die eindrucksvolle Vorstellung des Propheten Elija denken, der sich publikumswirksam mit 450 Wahrsagern anlegt. Ich sehe ihn vor mir, wie er nach seinem triumphalen Gottesbeweis mit stolzgeschwellter Brust den Platz verlässt. Doch die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung. Denn bei Hofe findet man die Blamage und das Niedermetzeln ihrer heidnischen Priester gar nicht lustig, und man schwört ihm ewige Rache.

Und mit einem Mal bekommt es dieser erfolgsverwöhnte Kämpfer Gottes mit der Angst zu tun und läuft um sein Leben, nur weg von den Menschen, hinein in die Wüste. Ich stelle mir vor, wie seine Schritte unter der gleißenden Sonne allmählich langsamer werden, wie wieder Ordnung in seine Gedanken kommt. Am Ende steht die beschämende Frage: Was machst du da überhaupt? Wer bist du eigentlich? Gestern noch der machtvolle Gotteskämpfer, und kaum zeigt sich Widerspruch, ist jeder Gedanke an Gott wie weggeblasen.

Die Erkenntnis ist bitter: sein ganzes Selbstbild gerät ins Wanken. Jahrelang hatte er gemeint, wer zu sein: der letzte aufrechte Prophet, ein Fels in der Brandung - jemand, auf den Gott bauen kann und an dem sich andere sich orientieren. Mit einem mal wird er gewahr, dass er sich – und anderen - etwas vorgemacht hat; dass sein Glaube ebenso angefochten und wankelmütig und nicht minder vom Scheitern bedroht ist.

Die Enttäuschung und Scham über sich selbst sitzt tief. Die Erfahrung, hinter den eigenen Idealen und Ansprüchen zurückzubleiben,. „Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben. Denn ich bin nicht besser als meine Väter“. Aber so schnell stirbt sich nicht. Und ein sanfter Tod unter dem Ginsterstrauch in der Wüste wäre alles andere als ein humanes Sterben ...
Elija hat noch etwas zu erledigen, das Wichtigste in seinem Leben überhaupt: die Auseinandersetzung mit sich selbst. Wo er sich selbst nicht mehr ausstehen kann, wo er nur noch schlafen, vergessen, sterben will: da schickt Gott seinen Engel: „Iß und trink, sonst ist der Weg zu weit für dich!“ Der Weg fängt jetzt erst an. Gott gibt das Lebensnotwendige - gerade am Ort des Scheiterns und Versagens.

Verehrte Hörerinnen und Hörer, ich gestehe, dass mit der zu Tode betrübte Elija lieber und menschlich näher ist als jener kraftstrotzende geistliche Muskelprotz mit seinem demonstrativen Siegerlächeln. In seiner mühseligen Wüstenwanderung entdecke ich auch meinen Weg. Ja, es ist vielleicht die wichtigste Wegstrecke im eigenen Leben, um zum Gottesberg Horeb vorzustoßen: zur Erkenntnis, wer ich bin - und wer Gott ist.

„40 Tage und 40 Nächte“, so heißt es, ist Elija unterwegs, um zum Gottesberg zu gelangen. Und ich finde es durchaus tröstlich, dass selbst dieser große Prophet nicht einfach nur mit dem Finger zu schnippen braucht, um sich aller Probleme zu entledigen und wieder gut drauf zu sein.

„Wer bin ich?“, so fragt sich Dieter Bonhoeffer in seinem Tagebuch kurz vor seiner Hinrichtung in Berlin-Plötzensee: „Bin ich der, für den die Leute mich halten? Der so souverän auftritt und für andere eine Stütze ist? Oder jener, der zu müde ist zum Beten, der ausgebrannt, in dessen Seele es dunkel ist. „Wer bin ich?“, und seine Antwort, sie steht bei Gott: „wer ich auch bin: du kennst mich, dein bin ich o Gott!“