| Kirche in WDR 2-5

4. Aufstieg zu Gott - Hinwendung zu den Menschen

„Mose auf der Spur“

Wie werde ich ein Geistlicher?

Verehrte Hörerinnen und Hörer,

Seit vier Jahren arbeite ich im Paderborner Priesterseminar und höre immer wieder von Priestern und solchen die es werden wollen, die Frage: Wie werde ich ein Geistlicher? Und: wie gelingt es mir, ein Geistlicher zu bleiben, wenn ich eingespannt bin in das Geflecht von Interessen und Erwartungen, getrieben nicht zuletzt vom eigenen Anspruch, es allen recht zu machen und jedem gerecht zu werden? Da muß man delegieren, motivieren, koordinieren ..., ist zuständig für alles und letztverantwortlich, und soll doch vor allem ein Geistlicher sein, einer, der dafür sorgen soll, daß Gott zum Zuge kommt, und der Glaube eines jeden gestärkt wird.

Wie werde ich ein Geistlicher? Ist das nicht letztlich die Frage eines jeden von uns? Wie kann ich in all dem, was mich fordert, beschäftigt, bedrängt, - In einem Leben zwischen Kindern und Küche, im Spagat zwischen Familie und Beruf - ein geistlicher Mensch sein: jemand, der in all dem die Nähe Gottes sucht und von dort die Kraft bekommt, im Alltag und im Beruf zu bestehen.

Mir scheint, wir könnten da von Mose einiges lernen. Mose, dieser charismatische Führer, dessen Weg über Jahre hinweg nur Wüste kennt, unterwegs mit einem kleingläubigen Volk, Von diesem Mose lese ich, daß er immer wieder sein Volk zurückläßt und auf einen Berg steigt, Wie es heißt, bleibt Mose „dort beim Herrn vierzig Tage und vierzig Nächte“, Nicht, um sich der schweren und oft lästigen Verantwortung für sein Volk zu entledigen, sondern im Gegenteil: um sich zum Anwalt seiner Leute zu machen. Aus der vertrauten Zwiesprache mit Gott bringt er Worte mit, Lebensregeln, die zehn Gebote.

Beides gehört für ihn zusammen: ganz bei Gott sein und ganz bei den Menschen sein. Und seine Mission ist es, die Menschen mitzunehmen, wenn er sich zu Gott hin aufmacht, die Nähe Gottes mitzubringen, wenn er zu seinem Volk zurückkehrt. Doch Mose bringt nicht nur Worte mit, Aus der Begegnung mit Gottes kommt er verändert zurück, ist er ein anderer: „Während Mose vom Berg hinunterstieg, wußte er nicht, daß die Haut seines Gesichtes Licht ausstrahlte, weil er mit dem Herrn geredet hatte.“

Vielleicht ist es jenes Strahlen, verehrte Hörerinnen und Hörer, das wir mit Christen mit der Zeit verloren haben. Man mag es entschuldigen, man kann es erklären, aber es nimmt unserem Leben letztlich seine Leuchtkraft.

Es müssen nicht unbedingt Berge sein, die wir aufsuchen, es können auch nicht immer 40 Tage und 40 Nächte sein, um uns zurückziehen und Gott zu suchen ...: Aber ich wünsche, daß es uns gelingt, sich ab und zu für einige Minuten innerlich zurückzuziehen, aus der alltäglichen Geschäftigkeit aus-zusteigen - und zu Gott auf-zusteigen: in der Stille, im Gebet, in einem Moment der Besinnung ...

Wie werde ich, wie bleibe ich ein geistlicher Mensch? Ich meine, Mose wäre auch uns ein guter Führer durch diesen Tag. Er würde uns wahrscheinlich ermutigen, ab und zu einmal „auf-zusteigen“ - und ich bin sicher: daß etwas von jenem Strahlen mitgeht, wenn wir dann in unseren Alltag, in unser Leben zurückkehren.