| Kirche in WDR 2-5

5 - Bedenke, was ich an dir getan habe!

Berufung des Elischa

Guten Morgen, verehrte Hörerinnen und Hörer!

Was mag ihm alles den Kopf gegangen sein, damals, als jener Fremde vor ihm stand? „Sei vorsichtig! Pass auf, worauf du dich da einlässt!“ – oder vielleicht auch im Gegenteil: „Bingo! Das große Los! Der absolute Hauptgewinn!“ ... Wird er geahnt haben, dass von da an sein ganzes Leben anders verlaufen würde? Dass er nie wieder wie seine Brüder pflügen, das Feld bestellen, sich mit Freunden betrinken würde ...?

Elischa, so heißt der junge Mann, hatte gar keine Wahl. Als Elija, der große Prophet mit einem Mal vor ihm stand und ihm den Prophetenmantel überwarf, wussten alle, was das zu bedeuten hatte: „Du gehörst zu mir!“ Jener kurze Moment, diese eine wortlose Geste hatte sein ganzes Leben von Grund auf verändert.

Und Elischa verstand. „Sogleich verließ er die Rinder (und) eilte Elija nach“, heißt es lapidar in der Bibel. Der Ruf des Propheten duldet keinen Aufschub. Es heißt, alles aufzugeben und hinter sich zu verlassen, und zwar ohne Wehmut und Zögern. Dazu gehört auch der Abschied von den Eltern, der Familie. Elija gibt ihm wohl Zeit für einen Abschiedskuss, mahnt ihn aber: „bedenke, was ich an dir getan habe!“

So kommt es also noch zu einem Abschiedsmahl: die Rinder, mit denen Elischa gepflügt hat, werden geschlachtet; mit dem Ochsenkummet wird Feuer gemacht. Die Entscheidung ist definitiv und unumkehrbar. Er bricht die Brücke hinter sich ab und heftet sich an die Fersen jenes berühmten Mannes, der ihn erwählt, von den Feldern weg berufen hatte.

Verehrte Hörerinnen und Hörer, so geht Berufungsgeschichte im Alten Testament. Ganz hart. Ganz eindeutig. Ganz entschieden - und scheinbar so einfach.

Das entscheidende Wort im den Berufungserzählungen im Alten wie im Neuen Testament heißt: „sofort“, „jetzt“! Es gibt diese Momente innerer Gewissheit, eine Intuition, ein Gedankenblitz, wo einer plötzlich versteht, klar sieht, wo Glauben leicht und „ja“ sagen nicht schwer ist. Oft ausgelöst durch eine Begegnung, ein Gespräch, ein Wort, ein schmerzliches oder ein beglückendes Erlebnis ... . Manchmal ist es wie bei Elischa: so eindeutig und klar, dass einem nur noch die Antwort bleibt: Du musst innerlich zustimmen, „ja“ sagen und springen: Jetzt!

Aber das muss nicht so sein. Als Regens eines Priesterseminars habe ich immer wieder mit den angehenden Priestern über ihre Berufungsentscheidung gesprochen, und ich war erstaunt, wie viel Phantasie Gott dabei walten lässt. Der eine wollte schon von Kind auf Priester werden – die geistlichen Wachstumskrisen blieben ihm dennoch nicht erspart -, andere hatten sich eher vorsichtig an diese Lebensfrage herangepirscht, oft über ein anderes Studium oder eine Berufsausbildung. Doch jeder kommt irgendwann an den Punkt, wo er sich riskieren muss. Ob die Freunde davon begeistert sind oder abraten, ob die Eltern den Schritt akzeptieren oder strikt dagegen sind ...: Man kann noch so lange überlegen, Für und Wider erörtern, das Risiko abschätzen. Es ist wie auf dem Zehn-Meter-Brett: Am Ende muss man springen, will man erfahren, ob das Wasser trägt.

Charles de Foucauld: bringt es auf den Punkt: „Von dem Moment an, da wich wusste, dass es Gott gibt, konnte ich nicht anders, als mit ganzer Kraft für ihn zu leben.“ - Und Chiara Lubich ermutigt eine Freundin mit den Worten: „Auch mit dir hat der Höchste einen Plan seiner Liebe. Auch du kannst leben für etwas Großes in deinem Leben. Glaube nur! Es gibt Gott. Lebe für ihn! Wirf dich in ihn hinein!“

Elischa hat sich dazu herausfordern lassen, sein für Gott in die Waagschale zu werfen. „Bedenke, was ich an dir getan habe!“ Er ist gesprungen – und das Wasser hat ihn getragen.