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Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen

Kolumne

„Die haben ja geschummelt!“, entfuhr es dem kleinen Kevin, mit Mutter und Oma aus dem Sauerland angereist, als er staunend vor dem Dortmunder Weihnachtsbaum stand, dem größten Deutschlands, wie es in der Eigenwerbung nicht ganz unbescheiden heißt. Doch Kevin hatte sich die Attraktion auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt einmal genauer angeschaut und festgestellt, dass das Spitzenprodukt vorweihnachtlichen Brauchtums in Wahrheit aus vielen kleinen Tannen bestand, wahrscheinlich alle bei ihm vor der Haustür im Sauerland geschlagen. Doch zusammengesteckt ergibt sich daraus ein imposantes Gebilde, mehr als nur das Wahrzeichen einer stimmungsvollen Einkaufslandschaft.

So erhebt sich der Dortmunder Weihnachtsbaum über dem heiter-geschäftigen Gewusel und dem undefinierbaren Duftmix von Bratwurst, Glühwein und Räucherstäbchen. Mit seinen vielen Lichtern streckt er sich der Dunkelheit entgegen, ein Leuchtturm adventlicher Erwartung, der die Erinnerung daran bewahrt, dass der Nacht der Menschheit im Tiefsten ihre Spitze genommen ist.

„Am Weihnachtsbaum die Lichter glänzen“, so klingt es in einem alten Weihnachtslied. Es ist der Glanz der Weihnacht, die sich auch auf unsere Welt legen will. Die Nacht bleibt, auch mit all dem Dunkel in unserem Zusammenleben wie den persönlichen Sorgen, aber sie wandelt sich zur Weih-Nacht: Nacht, in die Gott hineingestiegen ist. Nacht, in der er, Gott, sich finden lässt. Von diesem Schimmer des Lichtes, der Hoffnung und des Trostes in jeder Menschennacht spricht der Weihnachtsbaum, auch der zusammengesteckte auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt. Eine Einladung, sich zusammenzutun und sich von jenem Glanz berühren zu lassen. Dann würden nicht nur Kevins Entdeckeraugen leuchten, es würde sich erschließen, was in einer anderen Strophe des Weihnachtsliedes anklingt: „O fröhlich, seliges Entzücken, Die Alten schauen himmelwärts.“