| Kirche in WDR 2-5

Aufbrechen und mittragen: Christopherus

Heute morgen, verehrte Hörerinnen und Hörer, möchte ich Sie an die Geschichte des Opherus´ erinnern. Sie kennen sie vielleicht:

Opherus, dieser riesige Kerl, so wird erzählt, war von der Idee besessen, seine guten Dienste allein dem Mächtigsten im Land anzubieten. So verdingt er sich am Hof des Königs, dem er treu und ergeben dient. Doch dann bemerkt er, daß sein Herr den Teufel fürchtet, und so wechselt er alsbald in die Gefolgschaft des Teufels. Aber schon bald stellt er fest: es muß einen geben, der noch mächtiger ist, vor dem sogar der Teufel zittert: Christus. So macht er sich auf die Suche, um Christus seine Dienste anzubieten. Schließlich rät ihm ein Einsiedler, die Pilger über die gefährliche Furt eines reißenden Flusses zu tragen, da er doch so riesige Kräfte habe. So würde er Christus dienen. Opherus willigt ein. Tag und Nacht ist er am Fluß. Jeden trägt er hinüber. Einmal bittet ihn ein Junge, ihn ans andere Ufer hinüberzutragen. Doch das Kind wird schwer, immer schwerer. Nur mit äußerster Mühe erreicht Opherus das andere Ufer, wo ihm der Junge erklärt: “Was auf deinen Schultern lastete, war schwerer als die ganze Welt. Denn es war ihr Schöpfer, den du getragen hast. Ich bin nämlich Christus, dem du dienst.”

Nur eine Legende, verehrte Hörerinnen und Hörer, aber Legenden haben ihre eigene Wahrheit. Aus Opherus wird ein Christopherus - ein “Christus-Träger”, wie der Name übersetzt heißt: ein Mensch, der sich nicht zu schade ist, seine Schultern hinzuhalten, wenn er gebraucht wird. Er, der unbedingt im Dienst eines Großen, ja des Größten stehen will, findet so seinen Meister: Christus; aber eben nicht im Spektakulären, Gewaltigen, sondern im Kleinen, im Alltäglichen.

Opherus scheint, - so legt die Legende nahe - nicht sonderlich fromm oder gar frömmelnd gewesen zu sein, aber ein echter und aufrechter Kerl war er nach Kräften bereit, andere - im wahrsten Sinn des Wortes - durchzutragen. Es gab Zeiten, da wurde den Leuten gepredigt, man müsse die Menschen meiden, um Christus näher zu kommen. Und tatsächlich zogen damals viele Leute in die Wüsten und Einsamkeit der Berge. Aber schon Basilius, einer der großen geistlichen Lehrer des Christentums, hält dem entgegen: “wenn du allein bist, wem willst du da die Füße waschen? Wie willst Du da die Worte der Evangeliums leben? Wie willst du Christus nachfolgen, wenn du keinen Nächsten hast, den du lieben und dem du dienen kannst?”

Und Gelegenheit dazu besteht - weiß Gott - reichlich, auch heute: Wieviele gibt es, die ihre Last allein nicht mehr tragen können?! Wieviele, die unter der Schwere ihres Schicksals zu zerbrechen drohen?! Wer werden nicht alle Probleme lösen, nicht jeder Not abhelfen können. Aber andere in solchen Situationen und Lebensphasen dann nicht allein zu lassen, sondern ihnen beizustehen, an ihrer Last mitzutragen, sie im Gebet mitzutragen - das können wir.

Ich kann mir vorstellen, daß Christus auch heute Typen vom Schlage eines Christopherus braucht: Leute, die mit anpacken; die nicht nur ihr Eigenes sehen, das Gärtlein des privaten Glücks pflegen, sondern einen Blick für´s Ganze haben: da wo sie gebraucht werden.

An Opherus, verehrte Hörerinnen und Hörer, denke ich heute morgen, an alle, die Christoph heißen und heute Namenstag haben, und auch an solche, die anderen ihre Schultern hinhalten. Es könnte eine Chance sein, auch ein Christopherus, ein Christus-Träger, zu werden.

Das wünsche ich Ihnen und mir an diesem Tag. Sei es ein guten Tag!