| Kirche in WDR 2-5

Aufbrechen zu den Quellen

Guten Morgen, verehrte Hörerinnen und Hörer.

Ad fontes! Zu den Quellen!

Jedesmal, wenn ich am Paderborner Dom vorbeikomme, halte ich inne und schaue fasziniert auf das Wasser, das rings um den Dom hervorsprudelt. Mehr als 150 Quellen brechen dort auf: unter dem Dom, an der alten Kaiserpfalz, in den umliegenden Aue, so viele Quellen, daß ein Fluß daraus entsteht: die Pader, die unterhalb des Doms ihren Anfang nimmt.
Und immer muß ich dann an die Vision des Ezechiel denken, jene phantastische Geschichte aus dem Alten Testament, in der der Prophet davon träumt, daß unter der Schwelle des Tempels in Jerusalem Wasser hervorströmt. Ausgerechnet unter dem Tempel, für viele damals Inbegriff einer erstarrten und verknöcherten Religion! Und nicht nur das: Dieses Wasser fließt hinab in die Wüste Juda und läuft in das Tote Meer, das so salzig ist, daß nichts, aber auch gar nichts mehr darin leben kann. Und was das Erstaunlichste ist: Wohin dieses Wasser kommt, kehrt das Leben zurück. Das salzige Wasser wird wieder gesund, und im Toten Meer gibt es wieder viele Fische. Und mitten durch die Wüste fließt ein Strom. An seinen Ufern wachsen alle möglichen Obstbäume, deren Laub nicht welkt und deren Zweige immer Frucht tragen.

Eine unglaubliche Vision! Wirklich ein Traum, keine Träumerei. Alles wird lebendig, alles wird heil. Keine Wüste ist so öd und kein Meer so tot, daß Gott nicht auch dort Quellen des Lebens aufbrechen lassen könnte. Quellen, die aus seinem Heiligtum sprudeln.

Es gibt sie, diese Quellen des Lebens, nicht nur in der Vision des Ezechiel: Gott läßt auch heute lebensspendende Quellen aufbrechen: oft gerade da, wo ich es vielleicht nicht mehr zu hoffen gewagt habe.

Unser altehrwürdiger, vielleicht mit den Jahren erstarrter oder erstickter Glaube hat noch immer die Kraft, die Wüste im eigenen Leben wieder zum Blühen zu bringen und unserer ach so toten Gesellschaft wieder Leben einzuhauchen. Die Quellen des Lebens sprudeln auch heute, Gott sorgt dafür. Ja, ich glaube daran, daß Gott schon längst Quellen für heute hat aufbrechen lassen.

Vielleicht muß ich, müssen Sie weit zurückgehen in der eigenen Lebensgeschichte, um an die Quellen eines lebendigen Glaubens zu gelangen;
- vielleicht können wir auch aus den Erfahrungen anderer schöpfen, um die Quellen des Glaubens wieder in uns freizulegen;

Ad fontes! Zu den Quellen also, zu den Quellen unseres Glaubens: zu Gott. Damit so das Leben mit seiner ganzen Blüte und Fülle zurückkehrt! Nicht nur heute! Ich wünsche es Ihnen und mir.