| Kirche in WDR 2-5

„Der Herr ist wahrhaft auferstanden"

„Als erstes lesen wir morgens immer die Todesanzeigen", so der Kommentar meines Vaters, als wir kürzlich im Kreis der Familie beim Frühstück saßen. „Man muss ja schließlich wissen, was in der Stadt passiert - und wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten", fügt er mit etwas leiserer Stimme hinzu. Natürlich, je älter man wird, desto mehr Freunde und Bekannte verabschieden sich leise aus dem eigenen Lebensumfeld.

Ich gestehe, dass auch ich gelegentlich in den großen, überregionalen Tageszeitungen bei den Todesanzeigen hängen bleibe, allerdings nicht, weil ich jemanden der dort Angezeigten persönlich zu kennen meine. Die Todesanzeigen, finde ich, verraten vielmehr Entscheidendes über das Leben, genauer: wie die Lebenden mit dem Sterben umgehen.

„In stiller Trauer", heißt es da etwa, nehme man Abschied von einem lieben Menschen, erschüttert über den plötzlichen, unerwarteten Tod eines Angehörigen, eines Mitarbeiters oder eines Vorgesetzten, manchmal auch mit dem Hinweis auf ein erfülltes Leben oder ein langes, qualvolles Leiden, das dem Lebensende vorausging.

In diesen Anzeigen finden sich Sinnsprüche von Hölderlin oder Sentenzen von Tacitus, immer öfter aber bleibt auch einfach eine Leere, die nicht durch einen sinnigen Spruch oder eine vage Idee an ein Weiterleben kaschiert wird.

Und dann gibt es noch jene Anzeigen, auf denen sich religiöse Symbole finden, die betenden Hände von Dürer etwa oder ein Kreuz mit Siegeskranz. Und natürlich ein deutendes Wort aus dem christlichen Glauben, ein Psalmwort, ein Bibelvers, Zeichen der Hoffnung und des Vertrauens, dass Gott den lieben Menschen nicht dem Tod und Vergessen anheim gibt, sondern ihm ewiges Leben bereitet, ihn aufnimmt in seine liebende Gegenwart.

Vor mir liegt noch die Todesanzeige für den kürzlich verstorbenen Paderborner Erzbischof, Kardinal Degenhardt. Er hatte mich seinerzeit zum Priester geweiht, und über viele Jahre war ich ihm eng verbunden.

„Surrexit dominus vere!„ prangt über der Nachricht von seinem Tod: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden!„. Natürlich darf man zumindest bei der Todesanzeige eines Bischofs ein solches Bekenntnis erwarten. Aber dieses Wort steht nicht nur über seinem Sterben; es hat sein ganzes Leben geprägt. „Der Herr ist wahrhaft auferstanden!"

Als Johannes Joachim Degenhardt vor über 30 Jahren zum Weihbischof von Paderborn ernannt wurde, - in einer Zeit, da jedes und alles in Frage gestellt, erst recht die Glaubenshoffnung und Auferstehungsgewissheit der Christen angezweifelt und belächelt wurde - ,hat er sich dieses Wort aus dem Evangelium als Bischofsmotto gewählt, ein Leitsatz für die langen Jahre seines bischöflichen Dienstes: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden".

Ein Wort, das über das leere Grab Jesu hinausweist. Es war die Losung, an der die Jünger Jesu sich erkannten; es war der Ruf, den die Apostel jenen entgegenbrachten, die selbst durch die Dunkelheit der Nacht gelaufen waren, um von ihrer lichtvollen Erkenntnis, der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn zu berichten.

„Der Herr ist wahrhaft auferstanden!" Ein Wort, das durchträgt, auch über die Grenze des Todes hinaus; ein Wort, das aufrichtet und zum Leben ermutigt, auch angesichts manch unüberwindlich erscheinenden Schwierigkeit und Sorge.

Ende der Kurzfassung

Im Ritus der Bischofsweihe – so auch damals beim jungen Weihbischof Degenhardt – findet sich ein sehr bewegendes Zeichen, das diesen Glauben zum Ausdruck bringt. Dem neugeweihten Bischof wird ein aufgeschlagenes Evangelienbuch über den Kopf gehalten: die Seiten des Buches gleichsam wie ein Dach über dem Mann, der fortan das Evangelium, den Glauben an Jesus Christus, die Hoffnung auf ewiges Leben verkündigen soll, – eine Existenz im Haus des Wortes also.

„Der Herr ist wahrhaft auferstanden". Es ist ein Wort für Todesanzeigen, die doch eigentlich Geburtsanzeigen sind: wir sind geboren, um zu sterben – wir sterben, um zu leben.

Ein Wort für schwere Zeiten, Zeiten persönlicher Anfechtung von innen und ehrverletzender Angriffe von außen, aber Zeiten auch der Zuversicht, des Gottvertrauens, der Glaubensfreude.

Verehrte Hörerinnen und Hörer, ich möchte uns wünschen, dass sich auch über unserem Leben ein solch bergendes und schützendes Wort des Glaubens findet: ein Wort, unter dem man leben kann, ein Wort, in dem man auch sterben kann.

„Der Herr ist wahrhaft auferstanden" – in Ihm haben wir bereits jetzt Zugang zum ewigen Leben.