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Geh bis an deiner Sehnsucht Rand! Josef

Im Paderborner Priesterseminar läuft derzeit eine bemerkenswerte Ausstellung: „Geh bis an Deiner Sehnsucht Rand. Gib mir Gewand!“ Unter diesem Leitwort – ein Vers aus dem Stundenbuch von Rainer Maria Rilke - zeigt die Münsteraner Künstlerin Hilde Schürk-Frisch ausgewählte Bronze-Plastiken.

Josef Pieper hat sie einmal eine kontemplative Künstlerin genannt, unter deren Händen sich etwas von der Schönheit Gottes, von der Wahrheit des Ewigen formt. Und man merkt den ausgestellten Figuren an, dass sie keine Massenproduktion und nicht am Reißbrett entstanden sind. Sie dokumentieren vielmehr den mühsamen Prozess des Hinhörens, In-sich-hinein-Hörens – das bemühen, dem Unsagbaren Gewand zu verschaffen.

Unter den vielen Werken aus der gesamten Schaffensbreite dieser Künstlerin hat es mir die Gestalt des Josef angetan. Jener treue Knecht Gottes, der in der christlichen Ikonographie eher schlecht wegkommt: wenn er etwa in den berühmten Glasfenstern von Chartres im erdbraunen Gewand gezeigt wird, sinnierend im Abseits jener weihnachtlichen Szene, die von der Mutter und dem Kind beherrscht wird. Die Geburt, und sei’s die Geburt des göttlichen Kindes, so gemeinhin die Formsprache christlicher Kunst, ist Frauensache. Josef, der Mann, wird da zu einer Randfigur des heiligen Geschehens.

Nicht so bei Hilde Schürk-Frisch. Sie hat sich ein Leben lang mit der schweigend-horchsamen Existenz des Josef beschäftigt. Den Wanderstab in der ausgestreckten Rechten, die linke Hand als Verstärker an die Ohrmuschel gelegt, verkörpert er der Prototyp des hörenden, zum Aufbruch bereiten Menschen. „Worauf sollen wir hören?“ – „Wohin sollen wir gehen?“ – „Wohin geht die Reise?“ Fragen, die sehr modern klingen. Bedrängend für viele, die unsicher geworden sind, müde oder lustlos, die die Orientierung ihres Lebensweges verloren oder die Suche danach aufgegeben haben.

Und es gibt zu viele, die einfach drauf los marschieren, getreu der inhaltslosen Devise: „Der Weg ist das Ziel“. – Nein, das Ziel ist das Ziel, und es bedarf großer innerer Anstrengung, hineinzuhören in das Schweigen, hinauszuschauen in das Dunkel. Josef: er spielt nach meinem Dafürhalten eine zentrale Rolle im Weihnachtsbild unserer Tage. Ausstehen, warten, fragen nach dem, was Gott will – in der Bereitschaft, auch Unmögliches zu wagen, den Weg zu gehen, den Gott uns gehen heißt.

Auch das ist der Weg der Weihnacht – der Weg, auf dem Gott bei mir ankommt. Seine Worte, die heute an mein inneres Ohr dringen: „Geh bis an deiner Sehnsucht Rand. Gib mir Gewand!“