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Kirchen – Anwälte der Menschlichkeit

Kolumne

Mit Ihrem BILD-Interview zu den „verpassten Chancen der Kirche“ (20.04.2025) hat die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner eine kontroverse Debatte ausgelöst. Mit Recht darf sie von den Kirchen und ihren Seelsorgern „sinnhafte Begleitung“ wünschen, mehr Antworten auf die „grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod“, und sicher auch „Trost und Stabilität“. Keine Frage, das gehört zum seelsorglichen Kernauftrag der Kirchen: den Menschen nahe sein und ihnen die Barmherzigkeit Gottes nahezubringen. Das steht in keinem Widerspruch zu dem Sendungsauftrag der Kirchen, auch zu politischen – tagesaktuellen wie grundsätzlichen – Fragen Stellung zu beziehen. Genau dafür stand ja par excellence der verstorbene Papst Franziskus: ein Papst zum Anfassen, der seine Mitbrüder und Priester in die Armenviertel geschickt hat, um das Leben mit ihnen zu teilen; der von überallher Obdachlose in den Vatikan einlud und sich von ihnen umarmen ließ; der sich immer wieder mit Missbrauchsopfern getroffen, mit ihnen geweint und im Namen der Kirche um Vergebung gebeten hat.

Es ist derselbe Papst, dessen erste Auslandsreise nicht in eine der europäischen Hauptstädte ging, sondern nach Lampedusa, um auf das Schicksal der Flüchtlinge und Migranten aufmerksam zu machen; der von der „Schande“ der „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ gesprochen und eine lebensfeindliche neoliberale Wirtschaftsordnung angeprangert hat; der sich immer wieder, ob vor den Vereinten Nationen oder dem Europaparlament, für Frieden, ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit eingesetzt und der Weltgesellschaft wie den Politikern ins Gewissen geredet hat, auch wenn sie dies nicht gerne gehört haben. Denn „man ist den universalen Anspruch des Christentums nicht dadurch los, dass man diesen Anspruch auf Privates und Existentielles verkleinert“, so der frühere Hildesheimer Bischof Josef Homeyer. Denn die Bergpredigt, die Magna Charta des Christentums, ist eines der wirkmächtigsten Worte der christlichen Überlieferung: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden“ (Mt 5,6) – „An diesem Wort“, so Homeyer, „hat das Abendland sein ethisches Profil gewonnen, und vor diesem Satz musste das Abendland immer wieder seine Irrwege und Defizite einräumen.“

Vielleicht muss man die Kirchen-Kritik von Frau Klöckner auch im Kontext ihrer Würdigung des verstorbenen Papstes Franziskus lesen, den sie einen „wahrhaft globalen Brückenbauer der Versöhnung“ nennt: „Stimme für diejenigen, die keine Stimme haben: die Kinder in den Elendsvierteln, die Alten und Einsamen, die Opfer von Hunger, Ausbeutung und Menschenhandel“. Besser könnte man den politischen Auftrag auch der Kirche nicht ins Wort fassen.