| Ruhr Nachrichten

Wir sind das Volk!

Kolumne

Wir sind das Volk – nicht völkisch und nicht deutschtümelnd, sondern demokratisch, menschenfreundlich, weltoffen. Allein an diesem Wochenende waren überall im Land weit über hunderttausend Menschen auf den Straßen, um gegen rassistische und menschverachtende Ausgrenzung zu demonstrieren. Auch in Dortmund, wo der Demonstrationszug bei der Steinwache seinen Anfang nahm: dort, wo einst das berüchtigte Foltergefängnis der Gestapo war, in dem zigtausende ausländische Zwangsarbeiter und vermeintliche „Volksfeinde“ inhaftiert waren; viele von ihnen haben die Deportation in die Konzentrationslager nicht überlebt.


„Wir sind das Volk“ – mit diesem Sprechchor auf den Straßen in Leipzig, Dresden und anderswo hat schon einmal eine Wende begonnen: die Wende zum Guten, gegen ein menschenverachtendes Regime, für Freiheit und Einheit, für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das ist auch heute die Botschaft all derer, die (endlich) aufstehen gegen Fremdenfeindlichkeit und Aussiedlungsphantasien, gegen Hass und Hetze. Es braucht die Zivilcourage der „Aufrechten“, und es ist bemerkenswert, dass die schweigende Mehrheit im Land nicht mehr schweigt, sondern sich lautstark zurückmeldet: sich bekennt zu einer Gesellschaft, in der Menschen in Würde leben können, und zwar alle, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe, Sprache und Kultur. Denn der andere, jeder andere: „er ist wie du” - so hat der jüdische Philosoph Martin Buber das jahrtausendealte Gebot der Nächstenliebe übersetzt. Offenbar wissen wir Menschen schon von jeher, dass Rücksicht und Respekt die Voraussetzung für gelingendes menschliches Zusammenleben ist. 


An uns liegt es, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und ob wir es zulassen, dass Volksverhetzer sich mit ihren gottlosen Parolen durchsetzen. Denn als Christen wissen wir, dass der Mensch, jeder Mensch, ein „Abbild Gottes“ ist, ausgestattet mit einer Würde, die unantastbar ist, wie unser Grundgesetz unmissverständlich festhält. Natürlich gibt es vieles, worüber man sich ärgern kann, worüber man streiten muss, aber das stellt nicht den Grundkonsens in Frage, wie ja gerade im Osten vor 25 Jahren immer wieder skandiert wurde: „Deutschland einig Vaterland“. Daran sollte man sich in diesen Tagen erinnern. Denn „wir sind das Volk“, und wir stehen für „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – und zwar für jeden, der hier lebt. Das ist unsere Hymne auf Gerechtigkeit, Frieden und gelebte Menschlichkeit. Das sollten wir uns nicht nehmen lassen!